Mein Twitter Dilemma
Bin wohl doch zu alt für den Scheiß
Vor ein paar Monaten bin ich wieder bei Twitter eingestiegen. Ich dachte, als Musiker wäre so ein Twitter Account vielleicht doch eine gute Sache. Ich habe mir geschworen, es ruhig angehen zu lassen und den Account @DLIKDH nur für Musik und meine Band zu nutzen. Ach hätte ich doch nur geahnt, was für eine Büchse der Pandorra ich da wieder geöffnet habe.
Kaum war ich wieder etwas aktiver, wurden mir Tweets empfohlen, die ich Narr mir in meiner naiven Neugierde auch immer brav anschaute, teilte und kommentierte. Ich war „engaged“, wie man so schön sagt. Oder auf gut deutsch: Ich war voll druff.
Dann trendete #RassismusGegenWeiße in Deutschland und ich war so was von auf der Palme. Da musste ich dagegen halten, meine Meinung twittern, meine Solidarität mit #BlackLivesMatter bekunden. Ich bin ja einer von der Guten. Allein: Ein gutes Gefühl stellte sich nie ein. Ich habe keinen Rassisten zum Nachdenken oder gar zum Schweigen gebracht. Ich habe nur getwittert. Ich habe Links geteilt. Ich habe retweetet. Aber all das mit dem schalen Beigeschmack des Clicktivism. Ich war nichts anderes als ein Sesselpupser.
Und wieder einmal, wie vor ein paar Jahren schon, wurde mir klar, dass Twitter so gar nichts für mich ist. Ich habe meine Bedenken getwittert und von einem sehr guten Freund eine sehr nette E-Mail bekommen, die es auf den Punkt bringt.
Twitter füttert mich mit der Illusion, es sei wichtig, was ich denke und sage. Aber es ist, das mag meine persönliche Philosophie sein, vollkommen unwichtig, was ich denke oder sage. Das einzige was zählt ist die Handlung. Nur was ich wirklich tue, definiert mein Leben. Was ich jetzt hier und in diesem Moment mein Leben existentiell gestalte. Nicht, was ich denke oder wie ich mich fühle. Twitter lebt von der Illusion, Meinung sei wichtig. Meinung ist komplett scheißegal. Die einzige Wahrheit liegt im Handeln. Handeln formt die Welt und das Leben. Und an schlechten Tagen zerstören Twitter und Internet mein Handeln. Digitale Medien sind in einem durchaus heiddegerischen Sinne un-eigentlich. Sie entfremden mich von meiner Existenz.
Ich möchte ergänzen, dass ich durchaus einen Sinn im geschriebenen Wort sehe. Als Bewusstwerdung, als Ausdruck eine Haltung, als Anregung, als Beitrag zu einem Diskurs. Nach wie vor glaube ich, dass die Blogs so etwas leisten können.
Aber bei Twitter finde ich davon nur sehr wenig. Hin und wieder gibt es den einen Tweet, der mich nachdenken lässt. Aber der wird dann von tausenden Tweets des Inhalts „Ich auch.“ – „Ich nicht.“ – „Wieso?“ – „Wieso nicht?“ mit sinnlosem Rauschen überlagert. Frei nach dem Motto: Es wurde schon alles gesagt, nur noch nicht von allen.
Ich stelle also wiederholt fest, dass Twitter mir nicht gut tut. Ich habe inzwischen die Push Nachrichten und die „Tweet Empfehlungen“ ausgeschaltet. Ich werde nun in mich gehen und mir ein paar Twitter-Regeln für mich selbst überlegen. Und dann in Ruhe entscheiden, ob Twitter nicht vielleicht doch zu klein ist für Donald Trump und mich.