Mein einsamer Kampf gegen die vier Reiter der Infokalypse
Bequem geht die Welt zu Grunde
Ich gehöre zu der Generation, die die Geburt des Internets miterlebt hat. 1995 habe ich als studentische Hilfskraft an der Uni Köln gearbeitet, unsere Computer hatten einen Internetzugang und ich habe meinen ersten E-Mail Account bekommen. Social Media war noch nicht einmal als Wort bekannt. Es gab E-Mail, Mailinglisten, Newsgroups und ganz viele individuelle Webseiten. Später kamen dann Blogs und RSS-Reader hinzu. Das Internet war chaotisch, bunt, wild und vor allem frei. Frei von Algorithmen, die bestimmen was in der Timeline angezeigt wird. Frei von Nutzerrichtlinien, die zu Zwecken der Zensur geschaffen wurden. Frei von eingezäunten virtuellen Gemeinschaften die sich tagtäglich selbst auf die Schulter klopfen. Frei von Datenkraken, die mit ihrer Umklammerung auch noch das letzte bisschen Privatheit aus uns heraus pressen.
Ich vermisse diese Zeit. Und ich hasse die vier Reiter der Infokalypse, namentlich Apple, Facebook, Google und Amazon. Und Microsoft natürlich auch. Aber über die haben wir schon 1995 geflucht, das gehört seit jeher zum guten Ton und zählt daher nicht. Und irgendwie hat Microsoft das mit dem Internet ja auch nie so ganz auf die Reihe gekriegt. Bleiben wir also bei den vier Reitern der Infokalypse. Diese vier Firmen haben das Internet zerstört. Diese vier Firmen haben aus einer offenen, bunten, wilden Welt ein paar kleine, eingezäunte, spießige Biotope für den Ottonormalverbraucher gemacht. Diese Welt ist eine Welt des kleinsten gemeinsamen Nenners, eingehegt von selbsternannten Sittenwächtern. Das wäre für sich genommen gar nicht mal so schlimm. Jedem Nutzer sei seine digitale Reihenhaushälfte gegönnt, mit genormten Ideen, die sich nicht zu sehr von dem seiner Nachbarn unterscheiden. Wenn er denn hin und wieder auch mal einen Spaziergang um seinen digitalen Block machen und sich mit der Realität abgleichen würde.
Allein wir Menschen sind zu bequem. Ich nehme mich da nicht aus. Die vier Reiter der Infokalpyse haben uns fest im Griff und sie lassen uns so leicht nicht mehr los. Sie allein entscheiden über die Regeln und das Miteinander in ihren Ökosystemen. Was nicht sein darf, auch nicht sein kann, zumindest innerhalb dieser eingezäunten Systeme. Seien es provokante, satirische Apps im Apple Store, unpassende Fotos bei Facebook, als kritisch eingestufte Suchanfragen bei Google oder zu wenig Rabatte seitens der Verlage bei Amazon. Die Argumente sind bekannt, ich muss sie hier nicht weiter ausführen.
Warum also wenden wir uns nicht ab und suchen nach Alternativen? Weil es so bequem ist. Weil wir alle faul sind. Weil wir es zwar besser wissen, aber einfach unseren Hintern nicht hoch kriegen. Weil unsere Zeit inzwischen so kostbar geworden ist, dass wir keine Lust mehr haben uns länger als 5 Minuten in ein neues System einzuarbeiten. Ich bin da keine Ausnahme. Mit dem Umstieg von Windows auf Ubuntu habe ich schon seit einem Jahr geliebäugelt und habe es erst vor kurzem dann endlich geschafft.
Und siehe da, es geht. Es gibt Alternativen. Statt bei Amazon kaufe ich meine Bücher beim Buchhändler um die Ecke. Heute bestellt, morgen da. Statt google nutze ich duckduckgo.com. Mein eReader ist von Tolino, auf meinem Laptop läuft Ubuntu und das iPad verkneife ich mir erfolgreich seit drei Jahren, obwohl ich es wegen den echt tollen Musikapps unglaublich gerne hätte. Dafür nehme ich jetzt in den Urlaub meine Akkustik Gitarre mit. Bleibt nur noch Facebook. Ich habe da einen Account, um die Fan Seiten für meine diversen Projekte zu betreuen. Weil ich mir einbilde, so ein paar mehr Leute zu erreichen, als wenn ich das nur über meine Webseiten mache. Oder über den Blog hier. Aber damit ist jetzt auch bald Schluss. Ich werde die Seiten demnächst löschen. Ich muss hier nur noch einen längeren Artikel über die Übel von Facebook schreiben und vielleicht mal eine Anleitung, wie man per RSS Reader gut auf dem laufenden bleiben kann. Ich mach das. Jetzt in echt. Ganz bald, nächste Woche oder so. Wenn ich endlich meinen Hintern hochkriege.