Die prekäre Situation der Kulturschaffenden
Argumente gegen die Musikmafia #2
Eben kurz in das Programm der Sigint 2010 geschaut und kleinen Wutanfall bekommen. Ich kann es nicht mehr hören: Immer taucht bei Diskussionen um die Kulturflatrate so ganz nebenbei das Schlagwort von der „prekären Situation der Kulturschaffenden“ auf. Wer sagt das denn? Und wer hat das in die Welt gesetzt? Das gehört als Lobbyismus geächtet und nicht einfach mal so gänzlich unreflektiert in allen Blogs wiederholt.
Also: Genauer hinschauen. Wer sind „die Kulturschaffenden“? Das sind – wie in der realen Wirtschaft auch – Großunternehmer (die Megastars), Mittelständler (meinetwegen die Indie-Bands) und Kleinunternehmer (Kulturschaffende, die alles selber in die Hand nehmen). Also eine ganz heterogene Gruppe mit völlig gegensätzlichen Interessen. Die „prekäre Situation“ ist dementsprechend bei diesen Gruppen völlig unterschiedlich. Bei den DIY-Künstlern war sie nie anders, sie haben aber in Zeiten von Creative Commons plötzlich eine starke Lobby und das macht natürlich den Big-Playern Angst: „Was, wenn die uns das schöne Lizenzgeschäft kaputt machen?“. Die Big Player haben mal obszön viel Geld verdient – mit Einführung der CD, als viele ihre Vinyl-Sammlung noch einmal als CD’s gekauft haben – tun das im Moment nicht mehr, würden das aber gerne wieder. Die Künstler der Majors sind da nach wie vor in der gleichen „prekären Situation“ – dass sie nämlich ausgebeutet werden, wenn sie nicht aufpassen. Und die Indie-Labels? Da kenn ich mich zu wenig aus, um jetzt hier polemisch auf die Kacke zu hauen. Sagen wir einfach mal, sie kämpfen so wie immer und haben ihre eigenen Strategien um zu überleben.
Inzwischen macht das Mem von der „prekären Situation der Kulturschaffenden“ genau das, was es soll: gebetsmühlenartig behaupten und wiederholen, bis es nicht mehr hinterfragt wird und sich als Tatsache in unser Bewusstsein vergraben hat. Das erinnert ein wenig an den Spruch „Sozial ist was Arbeit schafft“. Und der sollte ja eigentlich die Bevölkerung auf den Sozialabbau einstimmen. (Und stammt ursprünglich aus der Nazizeit, siehe Links).
Insofern Vorsicht mit dem unreflektierten Gebrauch von dem Schlagwort „die prekäre Situation der Kulturschaffenden“. Das riecht nach Meinungsmache seitens der Kulturwirtschaft – und die haben nur selten ein Interesse am alleinigen Wohl der Kulturschaffenden.
Links:
Sigint: Massig Content und kein Geld – Anmerkungen zur Debatte um die Kulturflatrate
taz: Slogan aus der Nazizeit